Das Blaue Sofa eröffnete Lesefest "Open Books"

09. Oktober 2018 | Deutsche Nationalbibliothek, Frankfurt am Main

„Das Blaue Sofa“ eröffnete am 10.10.2018 das Lesefest zur Frankfurter Buchmesse. Zum Auftakt waren die frisch gekürte Buchpreisträgerin Inger-Maria Mahlke, Schauspieler Christian Berkel, die georgische Schriftstellerin Nino Haratischwili sowie der Essayist Max Czollek zu Gast. In den folgenden Buchmessetagen nahmen über 80 weitere Autoren auf dem „Blauen Sofa“ Platz.

v.l.n.r Eva Schmidt, Nino Haratischwili © Alexander Paul Englert

Schriftsteller genießen prinzipiell jede stilistische Freiheit, doch die wenigsten von ihnen nutzen sie. Inger-Maria Mahlke erzählt ihren Roman „Archipel“ aus einer besonderen Perspektive - nämlich „rückwärts“. Das gab wohl nicht den Ausschlag dafür, dass die Hamburgerin am Montag den Deutschen Buchpreis für den besten deutschsprachigen Roman 2018 gewann. Doch sie schuf damit zweifellos eine Leseerfahrung der besonderen Art. Exklusive Einblicke in die Entstehung ihres prämierten Werkes gab Mahlke bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt nach der Preisverleihung am 9.10.2018 auf dem „Blauen Sofa“. Das gemeinsame Autorenforum von Bertelsmann sowie den ZDF, Deutschlandfunk Kultur und 3Sat ist Stammgast auf der Frankfurter Buchmesse. Mit den ersten vier Gesprächen auf dem wohl begehrtesten Möbelstück der deutschen Literaturszene begann gestern zugleich das Lesefestival „Open Books“, das seit nunmehr zehn Jahren die Leidenschaft für Bücher über das Messegelände hinaus in die Stadt trägt.

v.l.n.r. Luzia Braun, Inger-Maria Mahlke © Alexander Paul Englert

Mit Inger-Maria Mahlke erlebten die Besucher im ausverkauften Festsaal der Nationalbibliothek nicht nur eine geehrte, sondern auch interessante Autorin. „Ich wollte die Zeit wahrnehmbar machen, indem ich sie umdrehe“, sagte sie über ihren raffinierten Kniff. „Archipel“ spielt auf Teneriffa und erzählt die Geschichten dreier Familien aus unterschiedlichen sozialen Klassen, die die Umbrüche und Verwerfungen der spanischen Geschichte des 20. Jahrhunderts auf ihre jeweils eigene Weise und doch miteinander verbunden erleben. Lässt sich das Buch auch von hinten lesen? „Vermutlich schon“, sagte sie, doch sie habe es noch nicht ausprobiert. Die Idee zum Schauplatz des Romans gründet in den Erinnerungen an ihre Kindheit, die sie zu großen Teilen bei ihrer Großmutter auf den kanarischen Inseln verbracht hat.

Debütroman eines Schauspielers

Eine Kindheitserinnerung war es auch, die Christian Berkel dazu veranlasste, unter die Schriftsteller zu gehen. Im Grundschulalter klärte ihn seine jüdische Mutter unter einem Apfelbaum über seine Wurzeln auf. In seinem Debütroman „Der Apfelbaum“ geht der Schauspieler („Das Experiment“, „Der Untergang“) nun der Geschichte seiner Familie im Nachkriegsdeutschland auf den Grund. Bei dieser fiktionalen, aber doch sehr autobiografischen Erzählung sei es für ihn am schwierigsten gewesen, zuerst eine Distanz zu den eigenen Verwandten herzustellen, um sie zu interessanten Romanfiguren zu formen.

Christian Berkel © Alexander Paul Englert

Aus einer ganz anderen Perspektive beschäftigt sich Max Czollek mit der jüdischen Identität in Deutschland. Auf dem „Blauen Sofa“ versuchte der Lyriker und Essayist, die starke Forderung seines Buchs „Desintegriert euch!“ zu erklären. Die durch den Rücktritt des Fußballspielers Mesut Özil aus der deutschen Nationalmannschaft ausgelöste „#MeTwo“-Debatte über mehrere Identitäten in ein und derselben Person habe ihn zu der Frage geführt, wie Minderheiten zur Formung des deutschen Selbstbildes herangezogen werden. „Ich möchte das Integrationstheater anprangern, das nur zwischen guten Migranten – die Tore für Deutschland schießen – und schlechten Migranten – die Straftaten begehen – unterscheidet“, sagte er. 

v.l.n.r. René Aguigah, Max Czollek © Alexander Paul Englert

„Vielfältiges und internationales Live-Programm“

Die Selbstverständlichkeit, unterschiedliche Zugehörigkeitsgefühle zu entwickeln und zu leben, spielt auch für Nino Haratischwili eine wichtige Rolle. Die georgische Autorin, die jedes ihrer Bücher auf Deutsch veröffentlicht, spürt in „Die Katze und der General“ den Abgründen nach, die sich zwischen den Trümmern des zerfallenden Sowjetreichs aufgetan haben. Ihr neuer Roman basiert auf einer wahren Episode im Tschetschenienkrieg, die sie „sehr erschüttert“ habe. Sie wolle zeigen, was Krieg mit der Psyche von Menschen anrichten kann. Bei der Frage nach dem Einfluss von Literatur auf die Verständigung zwischen Völkern gab sie sich realistisch: „Wenn Bücher dabei helfen, Grenzen zu überwinden, ist das sehr erfreulich. Aber wir Autoren können die gewünschte Wirkung nun mal nicht mit ins Buch schreiben.“ Haratischwili ist eine von zahlreichen Schriftstellern, die in diesem Jahr Georgien als Gastland der Buchmesse in Frankfurt repräsentieren.

Nino Haratischwili © Alexander Paul Englert

"Mit 88 Autorinnen und Autoren aus aller Welt sowie 24 Moderatorinnen und Moderatoren bieten wir zur diesjährigen Frankfurter Buchmesse wieder ein vielfältiges und internationales Live-Programm, das insgesamt mehr als 40 Stunden füllt", sagte Christiane Munsberg von der Bertelsmann-Unternehmenskommunikation, die bereits seit 18 Jahren „Das Blaue Sofa“ organisiert. „Literaturfreunde und Leser können durch das ,Blaue Sofa' wieder viele neue Bücher entdecken. Sie können sich über literarische Themen und Tendenzen informieren und Denkanstöße zu aktuellen gesellschaftspolitischen Debatten erhalten. Vor allem aber können unsere Gäste ihre Lieblingsautoren hautnah erleben und neue Autoren entdecken.“