Das Blaue Sofa zum Gastlandauftritt von Norwegen

15. Oktober 2019 | Frankfurt

Für das Blaue Sofa, das bekannteste Literaturmöbel Deutschlands, begann die Frankfurter Buchmesse bereits am Montagabend. Nach Island, Flandern, den Niederlanden, Frankreich und Georgien lud das Blaue Sofa zum sechsten Mal hochkarätige Autorinnen und Autoren des jeweiligen Gastlandes der Frankfurter Buchmesse in die Berliner Bertelsmann Repräsentanz Unter den Linden 1 ein. Seit vielen Jahren haben sich Erika Fatland, Lars Saabye Christensen, Erik Fosnes Hansen und Jostein Gaarder im deutscher Buchmarkt etabliert, sie gaben dem Berliner Publikum einen lebendigen Vorgeschmack auf die Buchmesse, die in zwei Wochen ihre Tore öffnet.

© Bertelsmann

„Mit dem „Blauen Sofa“ haben wir seit nunmehr 19 Jahren ein Literaturformat, das Autoren und Leser miteinander ins Gespräch bringt“, begrüßte Gastgeberin Helen Müller, Leiterin Cultural Affairs und Corporate History bei Bertelsmann, die rund 160 Gäste aus Politik, Kultur, Medien und der Buchbranche sowie die Autoren und Moderatorinnen Susanne Biedenkopf vom ZDF sowie Marie Sagenschneider, Barbara Wahlster und Jörg Plath vom Deutschlandfunk Kultur. Gleichzeitig beglückwünschte Helen Müller den Autor Erik Fosnes Hansen, der während der Frankfurter Buchmesse mit dem angesehenen Willy-Brandt-Preis für „seinen Beitrag zum norwegisch-deutschen Literaturaustausch“ ausgezeichnet wird. Der Angesprochene erwiderte in perfektem Deutsch: „Es gibt keinen Preis, den ich mehr schätze. Die Auszeichnung hat mich sehr berührt.“ Hansen, der zwei Jahre in Stuttgart studiert hat, sprach von seiner „lebenslangen Liebe zur deutschen Literatur und Kultur“. Diese begann mit der Lektüre von Günter Grass „Die Blechtrommel“, die er als Siebzehnjähriger gelesen hatte.

Der norwegische Botschafter S.E. Petter Ølberg © Bertelsmann

So würden allein 2019 mehr als 450 Titel aus und über Norwegen in deutscher Übersetzung erscheinen. Die anwesenden Autoren wären der beste Beweis dafür. Der Botschafter wie darauf hin, dass Norwegen das einzige Gastland sei, das von einem Mitglied des regierenden Königshauses als Literatur-Botschafterin aktiv unterstützt werde: Kronprinzessin Mette Marit wird als Schirmherrin von 100 norwegischen Autorinnen und Autoren mit einem eigenen Literaturzug zur Frankfurter Buchmesse anreisen.

Mit „Der Traum in uns“, einer Gedichtzeile von Olav H. Hauge und Motto des norwegischen Auftritts auf der Buchmesse, begann das Gespräch mit Margit Walsø, Direktorin der Norwegian Literature Abroad, und Buchmessedirektor Juergen Boos. Margit Walsø gab einen Einblick in die quicklebendige Literaturszene des Landes. So würden die Norweger durchschnittlich 15,5 Bücher pro Person und Jahr lesen. 34 Prozent der Norweger seien regelmäßiger Kunde einer Bibliothek und würden im Schnitt 14 Bücher pro Jahr ausleihen. Ermöglicht werde das durch die norwegische Abnahmeregelung, einem staatlich finanziertes Programm, mit dem Neuerscheinungen systematisch eingekauft und auf die Bibliotheken verteilt würden. Jürgen Boos betonte, dass die Gastland-Auftritte auf der Frankfurter Buchmesse in Deutschland wichtige kulturelle und wirtschaftliche Impulse setzen würden.

Erika Fatland © Bertelsmann

Erik Fosnes Hansen jüngster Roman „Ein Hummerleben“ (Kiepenheuer & Witsch) ist die wechselvolle Geschichte eines einstmals mondänen Berghotels, das in eine Finanzkrise gerät: In den 1980er-Jahren reisten die Norweger lieber in den Süden, anstatt, wie jahrzehntelang üblich, in die norwegischen Berge. Hansen erzählt den Romans aus der Perspektive des Jungen Sedd, der im großelterlichen Hotel arbeitet. Und wie kam Hansen zu diesen Stoff? „Mein Vater war Chef eines Reisebüros. Er war sehr gewissenhaft und wollte alle Hotels, die er seinen Kunden empfahl, persönlich kennen. So bin ich als Kind manchmal in den Ferien von einem klassischen norwegischen Berghotel ins nächste mitgefahren.“ Auf die Frage, ob er die deutsche Fassung gelesen habe, lobte der Autor ausdrücklich die Leistung seines Übersetzers Hinrich Schmidt-Henkel: „Er hat meine Bücher noch besser gemacht, als sie im Original sind.“

Erika Fatland, die Ehefrau von Erik Fosnes Hansen, ist ebenfalls Schriftstellerin. Sie berichtete von der Recherche zu ihrem Buch „Die Grenze. Eine Reise rund um Russland“ (Suhrkamp). Bei ihrer abenteuerlichen, 20.000 Kilometer langen Reise begegnete sie Hunderten von Menschen. Am meisten berührt habe sie dabei die Begegnung mit Maja, einer jüdischen Holocaust-Überlebenden aus Weißrussland.

Jostein Gaarder, der durch sein philosophischen Roman „Sophies Welt“ weltberühmt wurde, präsentierte sein neues Buch „Genau richtig. Die kurze Geschichte einer langen Nacht“ vor (Hanser Verlag). Der ehemalige Philosophielehrer machte neugierig auf die Lektüre der Geschichte über einen Mann, der nach einer niederschmetternden Diagnose eine Nacht in einer abgelegenen Hütte am See verbringt, wo er mit seiner Familie viele schöne Sommer erlebt hat. Er denkt über sein Leben nach und schreibt im Hüttenbuch einen Abschiedsbrief. Soll er den schnellen Weg wählen und seinem Leben selbst ein Ende setzen, bevor es die tödliche Krankheit tut?

Jostein Gaarder © Bertelsmann

Lars Saabye Christensen gehört zu den wichtigsten Gegenwartsautoren Norwegens, seine Werke wurden in mehr als 30 Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet. Sein neuer Roman „Die Spuren der Stadt“ (BTB) spielt Ende der 1940er-Jahre im Oslo der Nachkriegszeit und wird aus dem Blickwinkel des siebenjährigen, hochsensiblen Jesper erzählt, der mit seinen Eltern in ländlichen Fagerborg im Nordwesten von Oslo wohnt. Als sein Vater an Krebs stirbt, ist Jesper plötzlich auf sich allein gestellt.

 

Nach unterhaltsamen zwei Stunden applaudierte das Publikum begeistert. Man war sich einig, dass das Programm einen vielfältigen Einblick in die norwegische Gegenwartsliteratur geboten hatte. Wer an dem norwegischen Abend nicht dabei sein konnte, kann die Leseveranstaltung am 6. Oktober, ab 23.03 Uhr auf Deutschlandfunk Kultur nachhören. Danach ist die Sendung als Podcast verfügbar.