Philipp Felsch ist Professor für Kulturgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Bei C.H.Beck ist sein Buch „Der lange Sommer der Theorie. Geschichte einer Revolte. 1960–1990“ (32015) erschienen das für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert wurde.
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C.H. Beck
Nach 1945 liegt Nietzsches Ruf genauso in Trümmern wie der europäische Kontinent. Ausgerechnet Giorgio Colli und Mazzino Montinari, zwei italienische Antifaschisten, entschließen sich, den Philosophen des Übermenschen und der „blonden Bestie“ zu rehabilitieren. Damit beginnt ein irres intellektuelles Abenteuer, das bis ins Paris der Postmoderne führen wird und das Philipp Felsch in seinem flirrend klugen Buch nachzeichnet. Das Ziel der beiden Italiener: Nietzsches veröffentlichtes und unveröffentlichtes Werk vollständig neu zu entziffern, um es von allen Verfälschungen zu befreien. Das Problem: Zehntausende kaum lesbarer Seiten, die sich hinter dem Eisernen Vorhang in der DDR befinden, wo Nietzsche offiziell als Staatsfeind gilt. 1961 siedelt Montinari von der Toskana in den real existierenden Sozialismus über, um unter den Augen der Stasi den „echten“ Nietzsche zu decodieren. Schon bald aber müssen er und Colli erkennen, dass die französischen Philosophen, die sich auf ihre Edition berufen, die Idee des authentischen Textes, ja der Wahrheit selbst in Frage stellen. Es ist der Beginn der Postmoderne. Philipp Felsch erzählt eine rasante Geschichte zwischen den Fronten des Kalten Krieges, die im Spiegel der ideologischen Auseinandersetzungen des 20. Jahrhunderts die ganze Faszination und Ambivalenz von Nietzsches Denken greifbar macht.